Zuletzt aktualisiert 25. September 2024
Dem Erfurter Landesparlament steht am 26. September eine überaus spannende konstituierende Sitzung bevor. Ein schwarz-rotes Bündnis aus BSW und CDU hat sich offenbar das Ziel gesetzt, die AfD so weit wie möglich vom parlamentarischen Betrieb auszuschließen.
Die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags sieht bislang vor, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten hat. Damit gab es seit 1990 nie ein Problem: Die stärkste Landtagsfraktion besetzt das Landtags-Präsidium und garantiert eine stabile Sitzungsleitung, die dem im Wahlergebnis manifestierten Wählerwillen entspricht.
Der Wählerwille allerdings scheint mittlerweile weniger wichtig geworden zu sein. Denn die Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des neuen Thüringer Landtags enthält einen sehr bemerkenswerten, gemeinsamen Antrag von CDU und BSW, mit dem die Geschäftsordnung des Landesparlaments geändert werden soll. Und zwar derart, dass künftig jede Fraktion für die Besetzung des Landtagspräsidiums vorschlagsberechtigt sein soll. Zur Begründung führen die schwarz-roten Antragsteller aus:
„Das Werben um Vertrauen im Vorfeld der Wahl der Präsidentin beziehungsweise des Präsidenten des Landtags ist weder dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung nach noch nach deren Entstehungsgeschichte das alleinige Recht von Abgeordneten, die der mitgliederstärksten Fraktion im Landtag angehören. Die Fraktionen und die mit einem freien und gleichen Mandat ausgestatteten Abgeordneten haben die Aufgabe, aus ihren Reihen eine Kandidatin beziehungsweise einen Kandidaten auszuwählen, die beziehungsweise der für eine Mehrheit wählbar ist. Diesem Werben waren und sind keine verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzt. Vielmehr bestätigt die aktuelle Rechtsprechung der Verfassungsgerichte des Bundes und einiger Länder, dass mit der Freiheit des Abgeordnetenmandats nicht vereinbar ist, durch zu enge Voraussetzungen die freie (Aus-)Wahlentscheidung der Abgeordneten gewissermaßen benennungsgleich vorwegzunehmen. Dazu muss aufgrund der Herausgehobenheit des Amts auch und gerade die Wahl der Präsidentin beziehungsweise des Präsidenten des Landtags zählen.“
Bemerkenswert ist, dass die alten politischen Kräfte auf solche Ideen genau in dem Moment verfallen, in dem sie selbst nicht mehr die stärkste Fraktion im Landtag stellen. Vorher galt also etwas anderes?
Ungewöhnlich ist, dass ein deutsches Landesparlament seine Geschäftsordnung ändern soll, noch bevor es sich konstituiert hat. Darüber und über die Sache selbst werden die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben.
Sicher ist, dass es am 26. September im Erfurter Landtag einen Eklat geben wird. Sicher ist auch, wer diese Sitzung als Alterspräsident eröffnen und leiten wird: Der Ingenieur Jürgen Treutler (AfD) aus Südthüringen, der mit 73 Jahren unstreitig der älteste Abgeordnete im neugewählten Landtag ist. Ihm reden seit Tagen die alten politischen Kräften gut zu mit dem Ziel, zu verhindern, dass er den schwarz-roten Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung verschiebt hinter die Konstitution des Landtags einschließlich der Wahl des Landtagspräsidums, an dessen Spitze in diesem Fall Wiebke Muhsal von der AfD stehen würde.
Schwarz-Rot ist seit dem 19. Jahrhundert die Fahne der Anarchisten. Deren ideologische Erben in der modernen AfD-Verhinderungs-Demokratie werden möglicherweise am 26. September in Erfurt ihren historischen Vorgängern alle Ehre machen und den Thüringer Landtag gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode in politisches und juristisches Chaos stürzen.
Foto oben: Am 26. September soll Wiebke Muhsal von der AfD Präsidentin des Thüringer Landtags werden. Ihr stemmt sich eine anarchistische Einheitsfront der alten politischen Kräfte entgegen.