AFGHANISTAN-DEBAKEL: Heiko Maas sieht keine baldige Anerkennung der Taliban-Regierung

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Zuletzt aktualisiert 9. September 2021

Deutschland und die USA haben eine baldige Anerkennung der von den militant-islamistischen Taliban verkündeten Übergangsregierung in Afghanistan ausgeschlossen. Die von den Taliban angestrebte internationale Legitimität müssten die Islamisten sich durch ihr Handeln verdienen, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Mittwoch auf der US-Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein. «Unserer Meinung nach kann sie nicht schnell verdient werden, sie kann nicht durch Worte allein verdient werden.» Bundesaußenminister Heiko Maas sagte zu einer möglichen Anerkennung: «Um die wird es nicht gehen, die sehe ich auch nicht im Moment.»

Allerdings sprach er sich dafür aus, die Gespräche mit den Taliban fortzusetzen. Maas verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Bundesregierung weiterhin Schutzbedürftige außer Landes bringen wolle – darunter auch deutsche Staatsbürger. Die Taliban hatten am Dienstag 33 Regierungsmitglieder vorgestellt, darunter keine einzige Frau und niemand aus einer anderen politischen Gruppierung. Westliche Staaten hatten eine so genannte inklusive Regierung gefordert, der nicht nur Taliban angehören. Die gesamte Europäische Union hat dies zur Bedingung für weiteres Engagement gemacht, etwa für die Zahlung von Entwicklungshilfe.

Maas und Blinken kritisierten die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts in Kabul. «Die Verkündung einer Übergangsregierung ohne Beteiligung anderer Gruppen und die gestrige Gewalt gegen Demonstrantinnen und Journalisten in Kabul sind nicht die Signale, die dafür optimistisch stimmen», sagte Maas. Blinken bemängelte, auf der Kabinettsliste stünden «ausschließlich Personen, die Mitglieder der Taliban oder ihrer enger Verbündeter sind und keine Frauen.» Zudem gäben Verbindungen und Vergangenheit einiger Regierungsmitglieder Anlass zur Sorge. So wurde etwa Taliban-Vizechef Siradschuddin Hakkani, Chef des berüchtigten Hakkani-Netzwerks, zum künftigen Innenminister ernannt.

Das Hakkani-Netzwerk wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan in den vergangenen Jahren verantwortlich gemacht. Hakkani, der etwa Mitte 40 ist, steht als «globaler Terrorist» auf der Fahndungsliste der USA. Die US-Bundespolizei FBI hat ein Kopfgeld von bis zu 10 Millionen Dollar (knapp 8,5 Millionen Euro) für Hinweise ausgelobt, die zu seiner Festnahme führen. Maas und Blinken schalteten sich in Ramstein mit Amtskollegen aus mehr als 20 weiteren Staaten per Video zusammen. Blinken sagte, es habe Einigkeit in der Runde geherrscht, dass die Taliban sich internationale Unterstützung erst verdienen müssten. Maas und Blinken berieten auch darüber, wie die nach dem Ende der militärischen Evakuierungsmission in Afghanistan verbliebenen ausländischen Staatsbürger und afghanischen Ortskräfte in Sicherheit gebracht werden können.

Blinken forderte die Taliban auf, ihre Zusage einzuhalten, Afghanen mit Reisedokumenten ausreisen zu lassen. Blinken verwies auf Charterflugzeuge im nordafghanischen Masar-i-Scharif, mit denen Schutzsuchende ausgeflogen werden sollten, die von den Taliban aber aufgehalten würden. Die USA übten weiterhin Druck auf die Islamisten aus, damit die Flugzeuge und die Menschen an Bord Afghanistan verlassen könnten. Blinken rief die Taliban auch auf, humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung zuzulassen.

Deutschland hat seine Entwicklungshilfe nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August eingefroren. Humanitäre Hilfe für notleidende Menschen wird aber weitergezahlt. Derzeit sind 600 Millionen Euro zugesagt. Maas warnte vor einer dreifachen humanitären Krise. «In vielen Teilen des Landes herrscht jetzt schon Nahrungsmittelknappheit aufgrund der Dürre. Gleichzeitig sind internationale Hilfszahlungen gestoppt worden, von denen viele Menschen abhängen. Und wenn eine neue Regierung nicht in der Lage ist, die Staatsgeschäfte am Laufen zu halten, droht nach dem politischen der wirtschaftliche Kollaps – mit noch drastischeren humanitären Folgen.»

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